Jeder Mensch assoziiert mit einer Kartoffel auf dem Teller einen anderen Geschmack und eine andere Form. Deutsche würden sie vielleicht mit Butter und Salz verspeisen. Asiaten hingegen mit Chili und Sojasauce oder Nelken und Curry. Sie könnte nur aus Stein, nicht essbar oder echt sein. Darüber könnte man lange diskutieren.
Sind es unsere unterschiedlichen Prägungen oder unsere diversen Vorstellungen, die zu dieser Situation führen?
Die »Verortung« ist dabei eine individuelle Sache. Sie kann ebenso eine gesellschaft- liche Zuordnung oder auch ein Klischee sein. Es kann sich dabei um eine aktive, oder aber um eine passive Zuordnung handeln. Dies zu definieren ist sehr umfänglich und kann dabei vieles sein. Die Verortung des Ichs ist nicht bloß geographisch, sondern emotional, sie pas- siert dort, wo wir mit unserem Herzen sind, bei Freunden und Familie, am Arbeitsplatz, an einem bestimmten Ort, auf Reisen, in der Heimat, in fernen Ländern, und kann aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet werden.
Sechs Künstler*innen haben sich im »Topfhaus« im Alten Botanischen Garten in Kiel versammelt. Wo man einst Pflanzen umgetopft hat, zeigen sie verschiedene Perspektiven von Anpassung: die des »Ichs« in den Augen der anderen, die Suche nach der eigenen Veror- tung, nach einer immersiven Vision, nach einer Wahrnehmung der Welt und die Suche nach »Verwurzelung«. Es geht um die Verwandlung des Selbst, um Formung und Zusammen- bruch und daraus entstehende, neue Formen, um die vielfältigen Spaltungen des Körpers und des Herzens, um Widersprüche, Konflikte und Vereinigungen.
Die Künstlerin Ya-Wen Fu zeigt in der Arbeit durch die Abformung von Körperteilen den inneren Kampf und die Sehnsucht des Selbst. Sie lässt die Betrachter*innen durch die um sich selbst rotierende Welt wandern und dieses Verfahren erleben.
In der grünen Laube im Alten Botanischen Garten bietet die Künstlerin Regine Schulz eine stille Betrachtungsweise über die Schwere von Materialien an, wobei sie sowohl natür- liche Erde als auch industriellen Zement verwendet. Sie erforscht die Unmittelbarkeit von Materialien, um die Absurdität einer egozentrischen Ideologie der Welt auszudrücken.
Parallel zeigt Ying-Chih Chen in ihrer Arbeit, wie man durch die einseitigen Vorurteile anderer positioniert wird und wie sich die Positionierung in verschiedenen Kontexten ändert, in denen das Gegenüber wie ein Spiegel und manchmal ein fertiges Gebilde ist.
Anders ist es bei Takashi Sonoda, der in seiner Arbeit buchstäblich von einer Ecke zur anderen hin und her springt – auf der Suche nach der Distel, einer Blume mit vielschichtiger Bedeutung, dem Symbol, wie auf der Suche nach den von Macht und Gier geprägten gesell- schaftlichen Werten, wie ein verlorener Schatten.
Die beiden Künstler Nai Wei Tian und Esteban Pérez thematisieren in ihren Arbeiten jeweils den Einfluss äußerer Umstände, die mit dem Verlust des Visastatus einhergehen. Nai Wei Tian hat dabei das Schicksal einer Familie in dokumentarischer Form erfasst, ein Loslassen an dem diese Familie nicht persönlich teilnehmen konnte. Eine massive Ver- änderung durch eine erzwungene Maßnahme.
Bei Esteban Pérez muss die Protagonistin Luisa Europa leider verlassen, da ihre Auf- enthaltsgenehmigung nach dem Lockdown wegen Corona abgelaufen ist. Der Künstler Esteban Perez versuchte, eine Avatar-Inkarnation für sie zu erschaffen, sowie eine Imagi- nation oder fantasievolle virtuelle Welt, eine Welt der Freiheit, eine Utopie, die dem Wunsch des Künstlers entspringt, Luisa wiedersehen zu können.
Wenn sich Video, Installation, Skulptur, Malerei und Klang treffen, um uns die Geschich- ten derer zu erzählen, die aus »fremden Ländern« kommen, derer, die aus ihrer Heimat kom- men, und vielleicht auch von uns allen...